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Die deutsche Regierung plant die Zwangsrente für Selbstständige. Nach Meinung von Tim Wessels zerstört sie damit innovative Entwicklungen und Millionen von unabhängigen Existenzen. Tim ist IT-Spezialist aus Hamburg und startete die Petition gegen die Zwangsrente, die mindestens 350 Euro pro Monat betragen soll. Anders als reguläre Arbeitnehmer müssen sie die Krankenkassenkosten von 300 bis 600 Euro allein tragen. Dazu kommen Steuern auf Einkommen, Gewerbe und den Mehrwert auf verkaufte Produkte und Dienstleistungen. Bevor sie überhaupt mit der Arbeit beginnen und auch nur einen Cent verdienen, würden mit dem neuen Plan mindestens 650 Euro pro Monat anfallen.
By Joel Dullroy & Carsten Foertsch - Montag, 14. Mai 2012

Tim Wessels, der die Bundestagspetition startete, ist ein 27jähriger IT-Spezialist. Sein eigenes Unternehmen startete er bereits in der Schulzeit. Heute beschäftigt er zehn Leute in zwei Städten. Er gehört genau zu der Gruppe, nach denen die deutsche Politik dürstet. Und diese Erfolgsgeschichten werden nicht so schnell wiederkehren, wenn das Gesetz 'Lebensleistung belohnen' Realität wird.

"Politiker beschweren sich oft darüber, dass Netzinnovationen nicht in Deutschland, sondern in den USA stattfinden", sagt Wessels. "Sie meinen, wir brauchen mehr Innovationen und mehr Leute, die ihre Ideen ausprobieren und umsetzen. Zur gleichen Zeit planen sie solche Gesetze... Das ist verrückt."

Mit dem Gesetz, das am 1. Juli 2013 starten soll, werden alle bisher nicht rentenversicherten Selbstständige zur Zahlung von mindestens €350 gezwungen - wenn man 1991 geboren wurde. Wessels müsste mehr zahlen, so wie jeder andere, je älter er ist. Das Geld fließt entweder in die deutsche Rentenversicherung, oder in die Rürup-Rente, mit der die Versicherungsbranche gefördert wird. Beides lohnt sich nicht für Selbstständige.

The Walking Dead: Die Gesetzliche und die Rürup Rente

Die Gesetzliche bleibt nur durch hohe Steuerzuschüsse erhalten, die ein Viertel des Bundeshaushaltes umfassen. Jeder, der 45 Jahre jeden Monat 350€ in diese Rente einzahlt, fällt bei der Auszahlung knapp unter heutiges HartzIV-Niveau. Es ist eine "Basisrente". Und selbst die wären nicht garantiert. Jegliche Rentenerhöhungen werden nämlich erst in Zukunft beschlossen. In den letzten Jahren kürzten die Parlamente die Rentenleistungen bereits mehrfach. Mit Blick auf den verschuldeten Staatshaushalt, reicht einfache Mathematik für die Berechnung deiner Rente. Je jünger du bist und je länger du einzahlst, desto weniger erhälst du zurück.

Viel verspricht sich die Bundesregierung bei dem geplanten Rentenzwang vor allem für die private Rürup-Rente. Die Förderung dafür wurde speziell für Selbstständige eingeführt. Sie lohnt jedoch ebenfalls nicht. Für Zinsleistungen müsste man laut Öko-Test im günstigsten Fall 84 Jahre alt werden, im ungünstigsten sogar 109 Jahre - die jährliche Inflation nicht berücksichtigend. Sie würde die ausgezahlten Beiträge sehr wahrscheinlich noch weiter drücken.

Von der Leyen: "Ein Porsche und ein Rembrandt an der Wand werden nicht reichen"

Statt eine umfassende und nachhaltige Reform des gesamten Rentensystems zu planen, will die Rentenministerin von der Leyen mit der Zwangsrente die Selbstständigen in das kollabierende Rentensystem einbeziehen.

Öffentlich liest sich ihre Argumentation dafür so:

"Alle Selbstständige sollten im Grundsatz eine Pflicht zur Altersvorsorge haben, weil sonst das Risiko bei der Gemeinschaft liegt, die Grundsicherung zahlt, wenn am Ende das Geld nicht reicht. (...)  

Es gibt auch andere akzeptable Formen verlässlicher Altersvorsorge. Es muss eine Wahlmöglichkeit geben. Der Porsche in der Garage oder der Rembrandt an der Wand werden sicher nicht reichen. Die Altersvorsorge für Selbstständige muss auskömmlich, nachhaltig und pfändungssicher sein.

Die werden fragen: Warum zwingt ihr mich? Irgendwann werde ich das große Geld verdienen, dann wird es reichen. Die Lebenserfahrung zeigt aber, dass diese Pokerei zu oft schiefgeht. Trittbrettfahrer auf Kosten der Allgemeinheit darf es nicht geben."

Frau von der Leyens eigene Lebenserfahrung zeigt etwas anderes. Sie brauchte nie pokern und zahlt dafür heute selbst keinen Cent in eine der möglichen Zwangsrenten ein, die sie für Selbstständige plant. Wenn sie in Rente geht, erhält sie eine auskömmliche und kostenlose Pension vom Staat, welche die Selbstständigen mitfinanzieren.

Die Künstlersozialkasse

Während die Arbeitgeber bei Arbeitnehmern die Rente zur Hälfte übernehmen, müssen Selbstständige in der freiwilligen gesetzlichen Rentenversicherung die vollen Kosten tragen. Der einzige Ausweg bestände in der Künstlersozialkasse. Wer sich für eine Aufnahme interessiert, durchläuft bürokratische Hürden, die selten Erfolg bringen. Dies gilt insbesondere für neue Berufe, die bei Gründung der Kasse Anfang der 1980er Jahre noch nicht existierten.

Aber auch Leute, die jahrhundertalte Tätigkeiten ausüben, scheitern an einem bizarren Kunstbegriff. Wer Mode entwirft, zuschneidet und an einem Kleiderbügel verkauft, gilt als Handwerker nicht als Künstler. Wer Mode entwirft, und die Entwürfe verkauft schon. Wer sie entwirft, zuschneidet, und in einem Bilderrahmen anbietet, kann es vielleicht als Collage und damit als Kunst durchgehen lassen. Wer Bücher schreibt und davon halbwegs leben kann, kommt rein. Wer Programme schreibt sehr wahrscheinlich nicht.

Künstlersozialkasse wurde vor kurzem 'reformiert' - um mehr Selbstständige auszuschließen

Eine Öffnung der Künstlersozialkasse für alle Selbstständigen - ohne schrägen und komplizierten Kunstbegriff - wäre zumindest ein Reformansatz, weil die Kasse Rentenansprüche wie bei Arbeitnehmern ermöglicht. Nach von Leyens Logik würde es sich als Lieblingsprojekt gegen "Trittbrettfahrerei" geradezu aufdrängen. Die Verwaltung existiert bereits, die Gesetze für die Behörde erlässt die Regierung selbst. Stattdessen schränkte das Parlament die Zugangsbedingungen Ende letzten Jahres sogar ein. Mehr Selbstständige, die sich zu ähnlichen Konditionen von Arbeitnehmern absichern können, sind überhaupt nicht erwünscht. Die Regierung möchte einfach nur mehr Geld.

Wessels selbst lehnt die Bezeichnung des Trittbrettfahrers auch so ab. Selbstständige investieren ihre Zeit und ihr Geld in die erfolgreiche Umsetzung ihrer Ideen, sie wollen ein profitables Unternehmen aufbauen, das sie auch im Alter absichert.

"Die große Mehrheit der Selbstständigen sorgt für ihre Rente vor, aber nicht am Anfang ihrer Karriere. Sie bauen erst ihr Unternehmen auf. Und wenn es erfolgreich ist, dann fließen die Ergebnisse auch in die Altersvorsorge... Niemand möchte freiwillig auf die Sozialsysteme angewiesen sein, wenn man alt ist."

Rentenzwang fördert wirtschaftlichen und sozialen Abstieg

Außerdem würden viele Selbstständige durch das geplante Gesetz sofort in die Sozialsystem gedrängt werden: "Das hilft weder dem Staat noch dem Sozialsystem."

Wessels stört sich besonders an dem monatlichen Festbetrag, der keinen Bezug zum Einkommen der Selbstständigen nähme. Sie müssten es auf Beträge für die Krankenversicherung aufschlagen, die bereits jeden Monat 300 bis 600 Euro einnehmen.

In Deutschland arbeiten etwa drei Millionen Selbstständige, die durch das geplante Gesetz betroffen wären. Aber Wessels, dessen Unternehmen Fair + Friendly GbR IT-Support anbietet, sorgt sich vor allem um eine Gruppe - die der Tech Start-up Szene.

"Das ist ein echtes Problem für die deutschen Gründerszenen. Selbstständige Programmierer, Web Designer, Web Entwickler, die wären ernsthaft betroffen. Für Leute in Deutschland ist es bereits extrem schwierig, ein neues Unternehmen zu gründen. Und dann plant die Regierung eine neue riesige Barriere. Wenn eine Hürde von weiteren 400 Euro im Monat existiert hätte, hätte ich niemals das (Unternehmen) gründen und langsam aufbauen können, als ich noch zur Schule ging."

39000 weitere Unterschriften bis Petitionsende in acht Tagen benötigt

Es betrifft weit mehr Leute. Um sich gegen das Gesetz zu wehren, reichte Wessels eine Online-Petition im Bundestag ein. Wenn 50.000 Leute sie bis zum 22. Mai mitzeichnen, kann er seine Argumente und die vieler anderen Selbstständigen den Gesetzgebern direkt vortragen.

Bis heute (Montag, 14. Mai) unterstützen bereits 11.000 Leute die Petition. Letzten Donnerstag lag die Zahl noch bei 2.000 Unterstützern. Die Zahl verfünfachte sich über das Wochenende. Wessels glaubt an das Ziel, bestätigt durch die massive Aufmerksamkeit in den sozialen Medien in den letzten Tagen.

"Selbst wenn nur 20.000 Leute mitzeichnen, hätte es einen starken Einfluss. Einige Politiker werden es sehen, die Medien werden vielleicht darüber berichten. Aber für einen echten Einfluss brauchen wir 50,000 Unterzeichner."

Wer die Petition unterstützen möchte, besucht einfach die Online-Petition auf den Seiten des Deutschen Bundestages. Jeder kann mitzeichnen, einfach Namen und Adresse eingeben.

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