Yardi Kube: A single connected platform for flexible workspace management
Yardi Kube
Die Coworking Philosophie stärker nach außen tragen, mehr Menschen daran teilhaben lassen. Dieser Wunsch stand weit oben auf der Liste vieler Space Betreiber für die zukünftige Entwicklung von Coworking. In der Politik wächst jetzt ein erstes Pflänzchen. Der erste Coworking Space Betreiber wurde in ein Parlament gewählt! Ende Oktober startet die Arbeit von Simon Kowalewski als Abgeordneter des Parlaments der deutschen Hauptstadt. Wir sprachen mit ihm, was er aus seinen Erfahrungen als Coworking Aktivist in die Politik einbringen und wie er sie verändern möchte.
By Carsten Foertsch - Sonntag, 09. Oktober 2011

Das Jahr 2011 ist das Jahr der weltweiten Demonstrationen für echte Bürgerbeteiligung und demokratische Teilhabe. In Berlin taten es die Wähler vor zwei Wochen mit ihrem Stimmzettel und wählten mit der Piratenpartei eine Partei ins Parlament, die sich nichts anderem als einem neuem demokratischen Betriebssystem für mehr Transparenz und Beteiligung in allen politischen Entscheidungsprozessen verschrieben hatte. Genervt von Politikern, welche die echten Sorgen der Bürger mit kitschigen Fotos neben Tieren und Kindern weg lächeln, weil sie ihren PR-Agenturen mehr vertrauen als ihren Mitgliedern und Wähler eher als Problem, denn als Lösung begreifen.

Hinter der Piratenpartei steht eine weltweite Bewegung, die vor knapp sechs Jahren in Schweden startete - zu einer Zeit, als auch Coworking seinen Namen erhielt. Gerade mit ihrer Abkehr von der traditionellen politischen Kommunikation besitzt sie das Potenzial, die Bausteine der Politik neu zu ordnen. Genau wie Coworking traditionelle Arbeitsformen überwindet.

Der überwiegende Teil der deutschen und europäischen Medien nimmt den Berliner Erfolg der Piratenpartei derzeit als lokale Eintagsfliege einer Protestbewegung wahr, getragen von politisch unerfahrenen Laptopnerds. In aktuellen Umfragen würde jetzt jedoch jeder elfte Bürger im größten europäischen Land die Piratenpartei wählen, im September war es nur jeder fünfzigste.

Mit an Bord ist der weltweit erste Coworking Space Betreiber, der diesen Monat als Abgeordneter im Berliner Landesparlament startet. Wir sprachen mit ihm:

Hallo Simon, wie waren die letzten beiden Wochen für dich, hat sich die Aufregung mittlerweile gelegt?

Nicht wirklich. Wir starten gerade eine neue Fraktion, mit allem, was dazu gehört. Und wir treffen uns täglich dafür, um alle organisatorischen Dinge zu klären, müssen Sprecher und Referenten einstellen. Die Presse ist weiter hinter uns her. Es ist also immer noch viel los.

Was zeichnet die Piratenpartei aus, was bisherigen Parteien fehlte?

Wir verstehen uns grundsätzlich nicht als Partei, die nur ein anderes Programm hat als andere Parteien. Wir verstehen uns eher als Installationsroutine für ein ganz neues Betriebssystem, mit dem wir den Parlamentarismus von innen heraus verändern.

Wir möchten die Bürger an Entscheidungsprozessen auf allen Ebenen, ob lokal oder national, von der ersten Phase an genau den Themen beteiligen können, die sie interessieren. Wir nennen es Liquid Democracy. Dafür entwickelten wir Tools, mit dem alle Bürger jederzeit Anträge einreichen können. Diese Anträge müssen ein bestimmtes Quorum von der Grundgesamtheit erreichen, die sich zu diesem Thema eingetragen haben.

Der Entscheidungsprozess wird von keiner Moderation gesteuert, sondern läuft ab der Antragsstellung automatisch, bei denen die Bürger zusätzliche Vorschläge oder Gegenanträge einreichen können und am Ende kommt es zu einer Abstimmung. Der Antrag mit der meisten Unterstützung gewinnt den Entscheidungsprozess.

Die Tools funktionieren momentan jedoch nur auf Ebene der Piratenpartei und nicht für alle Bürger.

Momentan ist das so, damit wir sicherstellen, dass jeder auch nur einen Account, also nur eine Stimme besitzt, sonst könnte jeder mit mehreren Accounts die Abstimmung beeinflussen oder Leute dafür bezahlen, die mehrere Accounts anlegen, um Anträge zum eigenen Vorteil zu entscheiden. Unser nächstes Ziel ist es jedoch, dass jeder Bürger in Berlin seinen eigenen Account erhält. Eine Stimme für jeden Bürger.

Coworking versteht sich ja auch als eine Art neues Betriebssystem für die Art, wie wir arbeiten. Wo siehst du für dich Verbindungen zwischen Coworking und der politischen Arbeit?

Coworking ist auch ein flüssiges System. Ich habe keinen festen Arbeitsplatz, sondern arbeite dort, wo es gerade am besten passt. Ich kann mit den Leuten zusammensitzen oder mit der Infrastruktur arbeiten, die ich für ein Projekt gerade benötige. Wir arbeiten bei der Piratenpartei bis zur europäischen Ebene auf diese Weise.

Momentan müssen wir Leute fest einstellen, daran führt leider kein Weg vorbei, um uns zusätzlich etwas breiter in der Organisation aufzustellen. Aber auch nur, um noch weiter in die Welt rauszukommen und Wahlkämpfe der Piraten in anderen Regionen und Ländern zu unterstützen.

Was möchtest du aus deinen Erfahrungen als Coworking Space Betreiber in deine zukünftige Arbeit im Berliner Parlament einbringen?

Viele von uns kommen ja aus diesem „Neue Arbeit“-Milieu. Als Coworking Space Betreiber besitze ich besonders Erfahrung in der flexiblen Vernetzung und Organisation von Leuten oder einfach wie man Menschen in Gruppen für eine gemeinsame Arbeit zusammenbringt. Diese Erfahrungen werde ich einbringen.

Sollte auch das Parlament in Berlin zukünftig ein bisschen mehr wie ein Coworking Space funktionieren?

Wir setzten uns bereits Ziele, die in diese Richtung gehen. Dazu gehört zum Beispiel der Anspruch eines jeden Abgeordneten auf einen Laptop. Nicht auf einen Computer für den Schreibtisch sondern explizit auf einen Laptop, mit dem sie überall, auch außerhalb des Parlaments arbeiten können.

Außerdem zielen wir auf eine flexiblere Sitzordnung im Parlament, die wir unpraktisch halten, weil wir als Abgeordnete auf vorgegebenen Sitzen Platz nehmen müssen. Als Abgeordneter arbeitet man an unterschiedlichen Themen mit unterschiedlichen Leuten in der Fraktion und fraktionsübergreifend. Da wäre es natürlich praktischer, wenn man sich auch im Parlament mit diesen Leuten thematisch oder nach Projekt zusammensetzen könnte und nicht nach einer starren Sitzordnung.

Weiterhin besitzt jeder Abgeordneter Anspruch auf ein kleines Büro. Wir versuchen derzeit über unser Raumkontingent möglichst große Räume zu erhalten, in dem mehrere Personen in einem Raum arbeiten können und nicht die kleinen Büros, in die maximal zwei bis drei Leute passen. Nur ist das Gebäude außer den Besprechungsräumen dafür leider bisher nicht ausgerichtet.

Könnt ihr zunächst für eure eigene Fraktion an dementsprechenden Änderungen arbeiten, in dem ihr Büros zusammenlegt oder eure Besprechungsräume in Arbeitsräume umwandelt?

Wir gehen sogar weiter, in dem unsere Abgeordneten auch außerhalb des Parlaments an den Entscheidungen teilnehmen können. Jeder Abgeordnete kann unabhängig vom Ort auf einer Wiki-Seite an den Themen mitarbeiten und über seine Wiki-Unterschrift mit Ja, Nein oder Enthaltung eine Entscheidung herbeiführen, so dass nicht alle Entscheidungen zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Woche in einer festen Fraktionssitzung abgestimmt werden müssen. Wir versuchen damit beweglicher zu sein, als es die anderen Parteien bisher waren.

Ist Coworking eigentlich politischer als andere 'Wirtschaftszweige'?

Ja, ich denke schon. In der Berliner Coworking Szene kenne ich viele Leute, die politisch engagiert sind und für Parteien oder Fraktionen arbeiten oder eine Mitgliedschaft für eine bestimmte Partei besitzen. Wenn man Dinge ändern möchte, muss man damit auch in die Öffentlichkeit raus. Man muss man die Rahmenbedingungen der Gesellschaft ran, damit sie besser mit den eigenen Arbeits- und Lebenswelten harmonieren. Und in unserem System sind diese Veränderungen eigentlich nur über die politische Debatte möglich.

Wie stehst du zu eigentlich zu den Bewertungen in der Presse, welche den Erfolg der Piratenpartei nur als Ausdruck eines aktuellen Protestes sehen?

Die Entwicklung im Wahlkampf zeigte vor allem, dass die anderen Parteien sich selber zerlegten und den Leuten die Alternativen ausgingen. Sie konnten wählen, was sie wollen, der Bürgermeister würde trotzdem der alte bleiben. Einen Lagerwahlkampf mit bestimmten Themen gab es nicht, um für diesen Zweck die traditionellen Parteien zu wählen, wie z.B. in Baden-Württemberg, damit Mappus von der Bildfläche verschwindet.

Und wir hatten eine unglaubliche Unterstützung von Piraten aus allen Teilen Deutschlands und dem Ausland. Da sind wir wieder beim Thema Coworking. Sie halfen uns in den letzten Wochen beim Straßenwahlkampf und sorgten dafür, dass viele Leute, die überhaupt nicht wussten, was die Piraten sind und was sie überhaupt wollen, sich überlegten, ob man uns nicht vielleicht doch wählen sollte. Viele Piraten dachten sich, wenn wir irgendwo zuerst in ein Parlament einziehen können, dann in Berlin.

Es war ein Leuchtturmprojekt, das unglaubliche Kräfte freisetzte und deutschland- wie europaweite Ausstrahlungskraft besaß. Und diese Ausstrahlung wirkte. Jetzt liegen wir auch in ganz Deutschland bei neun Prozent, wenn sofort ein neues Parlament gewählt würde.

Letzte Frage, was passiert mit eurem Coworking Space?

Unser Yorck52 wird schließen, weil ich einfach keine Zeit mehr dafür habe, um ihn am Laufen zu halten. Wir suchten Leute, die ihn übernehmen würden. Es gab auch die Idee, den Coworking Space als Bezirksbüro oder Wahlkreisbüro für die Piraten umzuwidmen. Da spielte jedoch der Vermieter nicht mit, der er es uns nicht genehmigte.

Der Abgeordnetenjob ist offiziell ein Halbtagsjob. Es wäre schön, wenn man weiter seiner anderen Arbeit nachgehen und ihr verbunden bleiben könnte, aber das ist bisher nicht realistisch. Jeder der es irgendwie hinkriegt, muss sich voll auf die politische Arbeit konzentrieren. Grundsätzlich ist es ein Vollzeitjob. Wir zeigen dafür andere Wege auf, wie mit unserem Konzept der Liquid Democracy, um unsere Erdung beizubehalten.

Danke für das Interview!

 

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